„Identitäre Bewegung“ in Leipzig – wer steckt dahinter?

Robert Kuhn, unbekannt, Vincenzo Richter, Luna Krancic und Mathias Arnold an der Spitze des rechten Aufmarschs (Quelle: Paul Hanewacker)

In Leipzig treibt eine lokale Gruppe der „Identitären Bewegung“ (IB) ihr Unwesen. Die IB ist ein Verbund von völkisch-nationalistischen Gruppen, die rassistische Hetze verbreiten. Ihr bekanntester Protagonist ist der Wiener Martin Sellner, der im November 2023 bei einem Vortrag in Potsdam seinen „Masterplan zur Remigration“ vorstellte, in dem er ethnische Säuberungen forderte.

Die Leipziger Gruppe versteckt sich derzeit hinter dem Tarnnamen „Aktion Ost“. Ihre ProtagonistInnen sind um Anonymität bemüht. Der Zusammenhang existiert seit etwa 2020 und tritt regelmäßig öffentlichkeitswirksam in Aktion. So wurden etwa am 06.11.2020 Flyer an der Mensa im Park abgeworfen. Im Herbst 2020 gingen Social-Media-Accounts der Gruppe online. Am 18.10.2021 folgte eine Banneraktion der Gruppe vor einem Universitätsgebäude unter dem Slogan „Linksextremisten raus aus der Uni“, die ein Echo vor allem im Umfeld der „Identitären Bewegung“ selbst fand. Bereits in den Jahren ab 2014 hatte eine lokale Gruppe der Identitären Bewegung in Leipzig ihr Glück versucht.

Burschenschaft Dresdensia als Dreh- und Angelpunkt

Eine zentrale Rolle für die aktuelle lokale Gruppe der sogenannten Identitären nimmt die extrem rechte „Burschenschaft Dresdensia Leipzig“ ein, zu finden in einer Erkerwohnung der Balzacstraße 7, 04105 Leipzig, 2. OG links. Hier wird nicht nur Raum für Veranstaltungen zur Verfügung gestellt. Es gibt mit der Burschenschaft nahestehenden Personen, wie Lucas Gabler, auch personelle Überschneidungen.

In den Räumen der „Dresdensia“ finden nicht nur Mensuren und rechte Stammtische statt, sondern auch explizite IB-Veranstaltungen. Eingeladen war etwa der IB-Kader Vincenzo Richter aus Chemnitz, der im Herbst 2022 zur IB-nahen Kampagne „Aktion Solidarität“ referierte. Im Februar 2023 veröffentlichte der rechte Youtuber Sebastian Weber („Weichreite TV“) ein Interview mit Vincenzo Richter auf seinem Zweitkanal „KeinJournalist“, geführt ebenfalls in den Räumlichkeiten der Burschenschaft.

Die Dresdensia-Wohnung in der Balzacstraße 7, dient darüber hinaus als Firmensitz der Medienagentur „Tannwald Media“ von Alexander „Malenki“ Kleine. Kleine, früherer Regionalleiter der Identitären Bewegung in Leipzig, hatte am 09.12.2023 gemeinsamen mit dem Tannwald-Mitgründer und Videoaktivisten Maximilian Schmidt sowie einer rechten Delegation aus Deutschland an einem Republikaner-Empfang mit Donald Trump in New York teilgenommen.

Maximilian Schmidt am 23.02.2024 in Chemnitz, darum bemüht, nicht erkannt zu werden (Quelle: Recherche Nord)

Lucas Gabler

Lucas Gabler, geboren am 30.11.1997, war bereits dem Umfeld der Leipziger Identitären Bewegung aus den Jahren ab 2014 zuzurechnen. Der Verbindungsstudent besucht seit Jahren extrem rechte Versammlungen. So nahm er beispielsweise am 27.08.2021 an einem Sitzungstag des bundesweiten und extrem rechten Dachverbands „Deutsche Burschenschaft“ in Eisenach teil. Am 02.04.2022 beteiligte er sich an einer Querdenken-Demonstration in Leipzig und besuchte im Juli 2022 und 2023 die Sommerfeste des von Götz Kubitschek betriebenen extrem rechten Thinktanks „Institut für Staatspolitik“ in Schnellroda. Er beteiligte sich am 29.07.2023 an einem Aufmarsch der Identitären Bewegung in Wien. Im August 2023 verbrachten Gabler und weitere Nazis einen Urlaub in Italien, darunter die Leipzigerin Clara Wagner, Albrecht Diederichs und Jessica Häger aus Halle, sowie Philippe Navarre und Robert Krüger-Zechlin. Zuletzt fiel Lucas Gabler am 23.02.2024 als Kistenträger bei einer Veranstaltung im „Identitären“ Ladenprojekt in Chemnitz auf.

Robert Kuhn (hinter dem Laternenmast) und Lucas Gabler am 23.02.2024 in Chemnitz (Quelle: Recherche Nord)

Maximilian Schmidt und Lucas Gabler (linke Bildhälfte) am 08.09.2018 auf einer IB-Demonstration in Wien (Quelle: Presseservice Wien)

Lucas Maximilian Möbes

Zur Gruppe gehört auch der Burschenschafter Lucas Maximilian Möbes. Der aus Zerbst in Sachsen-Anhalt stammende Möbes nahm zuletzt 2023 im Dresdensia-Band am Treffen der Deutschen Burschenschaft in Eisenach teil. Im selben Jahr belegte er den zweiten Platz des Jungautorenwettbewerbs der extrem rechten Wochenzeitung Junge Freiheit. Bereits am 20.07.2019 konnte Möbes auf dem Dach des IB-Hausprojekts in Halle beobachtet werden. Anlässlich einer Demonstration waren an diesen Tag bundesweit angereiste „Identitäre“ zusammengekommen.

Lucas Möbes (1.v.l.) beim Jungautorenwettbewerb der rechten Wochenzeitung „Junge Freiheit“ (daneben im Bild: Elisabeth Freifrau von Hornstein, Dieter Stein, Marlene Blodau und Maximilian Kneller, Quelle: Screenshot)

Lucas Möbes am 02.06.2023 beim Burschentag in Eisenach (Quelle: Pixelarchiv)

Clara Wagner

Die 1998 geborene und in Johannesberg-Breunsberg (bei Aschaffenburg) aufgewachsene Clara Wagner ist darum bemüht, sich bei IB-Aktionen zu verdecken und nicht mit der IB in Verbindung gebracht zu werden. So ist sie in den zwischen 2021 und 2023 veröffentlichten Aktions-Videos diverser Bannerdrops und Flyer-Aktionen an der Universität Leipzig nur vermummt zu sehen. Ein im Dezember auf der Plattform Indymedia veröffentlichtes Outing hat diese Anonymität bereits aufgebrochen.

Die Leipziger Studentin der Slawistik besucht seit spätestens 2021 zahlreiche extrem rechte Veranstaltungen. Im Rahmen der IB-Kampagne „Gedankenverbrecher“ nahm sie an einer Banneraktion im März 2021 in Bonn teil. Im Juni 2021 beteiligt sie sich an einer Demonstration der Identitären Bewegung gegen das Verbot der IB-Symbole in Wien und am 06.11.2021 am Querdenken-Aufmarsch in Leipzig. Im Jahr 2022 nahm Clara Wagner u.a. an einem Aufmarsch der extrem rechten Partei „Freie Sachsen“ am 05.03.2022 in Chemnitz sowie am Leipziger Corona-„Spaziergang“ am 28.03.2022 teil, jeweils hinter dem IB-Fronttransparent. Bei der „Querdenken“-Versammlung am 02.04.2022 in Leipzig lief sie als „Reporterin“ des rechten Medien-Portals „Auf1“ durch die Teilnehmenden.

Wagner filmte im Jahr 2022 auch auf rechten Leipziger „Montagsdemonstrationen“. Die Aufnahmen wurden als Story-Posts auf dem damals noch „aktivinleipzig“ genannten Instagram-Kanal der IB Leipzig veröffentlicht. Auch war sie Gast einer Weihnachtsfeier der Jungen Alternative Sachsen im Dezember 2022 im Leipziger AfD-Parteibüro in der Wittenberger Straße 15.

Am 08.07.2023 besuchte sie das Sommerfest des extrem rechten „Instituts für Staatspolitik“ in Schnellroda, wo sie im vorherigen Jahr schon an der „IfS-Sommerakademie“ teilgenommen hatte. Dass Clara Wagner sich um Vernetzung bemüht, zeigte sich auch am 29.07.2023, als sie erneut einen Aufmarsch der Identitären Bewegung in Wien besuchte. Im August 2023 verbrachte Wagner mit weiteren Nazis einen Urlaub in Italien. Darunter waren Albrecht Diederichs und Jessica Häger aus Halle sowie Philippe Navarre und Robert Krüger-Zechlin. Am 28.10.2023 bestiegen IB-Mitglieder mit Transparenten das Dach einer geplanten Geflüchtetenunterkunft in Dresden. Darunter war auch Clara Wagner.

Trotz dieser intensiven und überregionalen Aktivität gelang es Clara Wagner, in ihrer Heimatstadt Aschaffenburg bis ins Jahr 2023 in Kontakt mit linker Subkultur zu treten und linke Räume zu besuchen. Dort erzählte sie zwar von ihrer IB-Zugehörigkeit, leugnete aber deren Aktualität. Sonst so sehr um Anonymität bemüht, postete sie auf der von ihr betriebenen Instagramseite „rightwinggirl.memes“ sogar Bilder aus dem Inneren der Räumlichkeiten des Stern e.V. in Aschaffenburg. Auf dieser Instagramseite verbreitet sie ansonsten rechte Narrative in Memes und Bildern.

Clara Wagner auf dem Compact-Aufmarsch „Ami go home“ in Leipzig am 26.11.2022 (Quelle: Pixelarchiv)

Robert Kuhn

Fest zur Struktur der Identitären Bewegung in Leipzig gehört auch der Leipziger Chemie-Student Robert Kuhn. Seit spätestens 2022 tritt er öffentlich auf zahlreichen extrem rechten Aufmärschen und Versammlungen in Leipzig in Erscheinung. Im Juni 2022 beteiligte er sich zusammen mit Vincenzo Richter, Ashley Mehnert und Timm Kaufmann an einem Bannerdrop der Identitären Bewegung in Ulm. Bereits wenig später nahm er gemeinsam mit seiner Partnerin Luna Krancic an einem Aktionswochenende der IB Sachsen in der Sächsischen Schweiz teil.

Im Jahr 2023 sah man Robert Kuhn öfter auf den rechten Leipziger „Montagsdemos“. Ebenso wie Clara Wagner beteiligte er sich an der Besetzung einer Geflüchtetenunterkunft in Dresden am 28.10.2023. Im Februar 2024 half Kuhn, zusammen mit Lucas Gabler, bei einer Veranstaltung mit Martin Sellner in Chemnitz mit. Veröffentlichte Videos der Identitären Bewegung Leipzig im März 2024 zeigen Robert Kuhn beim Anbringen rassistischer Sticker auf Verkehrschildern in Leipzig. Wenigstens seit Anfang 2022 verklebt er rechte Sticker und Plakate in Leipzig.

Geboren am 19.08.1999, wuchs er in Leinefelde-Worbis in Thüringen auf, wo er das Marie-Curie-Gymnasium besuchte. Mit familiärem Rückhalt kann Robert Kuhn rechnen, liked und kommentiert seine in Kassel lebende Mutter Andrea Kuhn doch zahlreiche Postings sächsischer „Identitärer“ Aktivisten und Gruppen.

Luna Krancic

In der Identitären Bewegung Leipzig ist auch Luna Krancic aktiv. Sie führt eine Beziehung mit Robert Kuhn. Am 10.07.2022 nahm sie etwa an der extrem rechten Versammlung „Stoppt den Great Reset“ und am 26.10.2022 an dem rechten Aufmarsch „Ami go home“ in Leipzig teil. Seit Sommer 2022 konnte sie häufig auch auf rechten Montagsdemos in Leipzig beobachtet werden. Zusammen mit Clara Wagner und Robert Kuhn beteiligte sie sich am 28.10.2023 an der Besetzung einer Geflüchtetenunterkunft in Dresden. Luna Krancic absolviert seit 2022 eine Ausbildung an der Macromedia Akademie für Medien am Standort Leipzig, die bis voraussichtlich 2025 dauern wird. Mit Robert Kuhn teilt Luna Krancic eine Vorliebe für das Hobby Creepypasta.

Luna Krancic und Vincenzo Richter auf dem Compact-Aufmarsch „Ami go home“ in Leipzig am 26.11.2022 vor einem Transparent, auf dem „Remigration“ gefordert wird (Quelle: Pixelarchiv)

Mathias Arnold

Der 1984 geborene Mathias Arnold trat 2019 erfolglos als Stadtratskandidat für die Leipziger AfD an. Aktuell sitzt er für die AfD im Leipziger Stadtbezirksbeirat Südost, wo er vor allem durch Abwesenheit glänzt. Arnold arbeitet als Physiotherapeut.

Neben seiner Rolle in der AfD tritt Mathias Arnold in der Identitären Bewegung in Erscheinung. Auf zahlreichen Versammlungen 2022 und 2023 war er Teil der IB-Gruppe, z.B. am 10.07.2022 am Völkerschlachtdenkmal. Dort trug er das Fronttransparent und ist auf Bildern u. a. neben Robert Kuhn, Luna Krancic und Vincenzo Richter zu sehen. Am 26.02.2023 besuchte er eine Kundgebung gegen Geflüchtete in Leipzig-Stötteritz, am 23.02.2024 nahm er an einem Treffen der Identitären Bewegung in Chemnitz teil.

Eine Doppelaktivität in AfD und Identitärer Bewegung verfolgte auch die Leipzigerin Ina Alles. Sie ist bei den aktuellen IB-Aktionen in Leipzig aber nicht mehr präsent. Neben ihren AfD-Aktivitäten, etwa der Teilnahme am AfD-Landesparteitag am 25.03.2023 in Glauchau, war sie aber auch mit Mathias Arnold im Juli 2022 beim IfS-Sommerfest in Schnellroda zu sehen.

Mathias Arnold und Ina Alles am 30.07.2022 beim Sommerfest des rechten Thinktanks „Institut für Staatspolitik“ in Schnellroda (Quelle: Objektiv Ost)

Mathias Arnold bei einem Treffen der Identitären Bewegung am 23.02.2024 in Chemnitz (Quelle: Recherche Nord)

Ausblick

Nicht erst die öffentlich bekannt gewordenen Deportationspläne des IB-Protagonisten Martin Sellner verdeutlichen, welch Geistes Kind ihre AkteurInnen sind. Die Leipziger IB-AkteurInnen sind hierbei keine Ausnahme. Sie vernetzen sich im Raum Sachsen und darüber hinaus. Die „Besetzung“ einer Dresdner Geflüchtetenunterkunft unterstreicht ihre rassistische Agenda.