
Nach einer rassistischen Beleidigung gegen den Spieler Christopher Antwi-Adjei während des DFB-Pokal Spiels des 1. FC Lokomotive Leipzig gegen den FC Schalke 04 am 17.08.2025 geriet der Club aus Probstheida einmal mehr in die Schlagzeilen.
Auf die rassistische Beleidigung folgte eine Spielunterbrechung und die Durchsage des Stadionsprechers, rassistische und diskriminierende Äußerungen zu unterlassen. Die Reaktion eines nicht unerheblichen Teils der blau-gelben Fanschar bestand darin, Antwi-Adjei über die gesamte nachfolgende Spieldauer bei dessen Ballberührungen auszupfeifen. Das DFB-Sportgericht reagierte auf die rassistischen Beleidigung mit einem Strafantrag von 30.000€ gegen den 1. FC Lokomotive Leipzig.
Bereits im direkten Nachgang des Spiels war der Verein darum bemüht, den Imageschaden zu begrenzen und verwies dabei, wie häufig in der Vergangenheit, auf seine „Keen Bock auf Rassismus“-Kampagne. Eine Entschuldigung beim Betroffenen wurde veröffentlicht, ebenso ein Statement, in dem der Verein davon spricht, dass „diese eine Stimme einen Schatten auf einen sonst wundervollen Fußballnachmittag geworfen [hat].“ Bereits ein gutes Jahr zuvor, als mit Lloyd-Addo Kuffour ein damaliger Spieler des FSV Zwickau von Lok-Fans ebenfalls rassistisch beleidigt worden war, erregte sich der 1. FC Lokomotive Leipzig über „den ein oder anderen, der […] dem 1. FC Lok mit solchen hirnlosen und verletzenden Ausrufen massiv schadet.“
Das Werk Einzelner auf Kosten des Vereins: eine für die Verantwortlichen in Probstheida bequeme Erzählung. Einen knappen Monat nach dem Spiel versuchte die LVZ dem blau-gelben Befinden nachzuspüren. Statt einer kritischen Einordnung mit belastbaren Informationen förderte der verantwortliche Lokaljournalist jedoch lediglich die Telefonnummern von Ex-Präsident Steffen Kubald und Stadionsprecher Marko Hofmann zu Tage. Den Schlusspunkt des Artikels bildet der Persilschein für den Verein, der „selbst keinen Deut Rassismus in sich trägt.“
Wären die neonazistischen Umtriebe rund um den 1. FC Lokomotive Leipzig sowie die Ignoranz eines Großteils seiner Anhänger_innen diesen gegenüber nicht so offensichtlich, ließe sich über eine derart selbstbewusst vorgetragene Relativierung nur die Stirn runzeln. Angesichts der Bedeutung, die der Bezugspunkt 1. FC Lokomotive Leipzig fortwährend für die extreme Rechte in Leipzig und Umgebung besitzt, scheint es allerdings – einmal mehr – notwendig zu sein, darüber zu informieren.
Auf den Rängen
In dem Bereich hinter Tor 1 aus dem Antwi-Adjei beleidigt wurde, stünden „Nostalgiker oder Abgehängte“, wie die LVZ zu berichten weiß. Betrachtet man das bestehende Bildmaterial, das zum Teil auch im besagten LVZ-Artikel selbst verwendet wird, stechen allerdings unmittelbar Personen ins Auge, die in Bezug auf die Fanszene von Lok Leipzig keineswegs als „Abgehängte“ gelten können. So tummeln sich darauf neonazistische Lok-Fans, die bis in die Gegenwart relevanten Einfluss in der Fanszene besitzen und in der Vergangenheit unter anderem in der neonazistischen Ultra-Gruppe „Scenario Lok“ organisiert waren. Folgend seien einige der auf den Bildern zu sehenden Neonazis benannt.

Mit Benjamin Brinsa ist einer ihrer prominentesten Vertreter und bis heute tonangebenden Figuren der neonazistischen Fanszene ebenso in der Bildmitte zu sehen, wie Andreas oder Dittmar Schumer. Die eineiigen Zwillinge fielen in der Vergangenheit immer wieder mit schweren rechten Gewalttaten auf und waren neben „Scenario Lok“ auch Teil von Brinsas „Imperium Fight Team“ (IFT). Wenige Stufen näher am Feld und in unmittelbarer Nähe zu Antwi-Adjei animiert im Moment der Aufnahme der notorische Neonazi und Hooligan Thomas Kuhbach den Block. Auch Kuhbach, der den Schriftzug „Scenario Lok Hooligans“ oberhalb der Brust tätowiert hat, posierte in der Vergangenheit auf Bildern das „Boxclub Lokomotive“, der Vorgängerstruktur des IFT.

Seit einigen Jahren allerdings hat der inzwischen in Großkugel, nahe Leipzig, lebende Kuhbach das Trainingsshirt gegen die Rockerkutte eingetauscht und bildet zusammen mit anderen Neonazis aus der Leipziger Fan- und Hooliganszene den „Rowdys MC“. Seit der Aufteilung in zwei Chapter – „Rowdys MC Eastside“ sowie „Rowdys MC Leipzig“ – tritt Kuhbach als Präsident des Leipziger Chapters auf, während diverse weitere neonazistische Lok-Fans mit blau-gelben Kutten andere Posten innerhalb des Motorcycle Club (MC) bekleiden. Einer von ihnen ist oben genannter Andreas Schumer, der beim „Rowdys MC Leipzig“ den Vize-Präsidenten gibt.

Neben Kuhbach und Schumer standen am 17.08.2025 auch Lukas Müller und Christoph Mann, die ebenfalls dem „Rowdys MC“ angehören, auf dem Dammsitz. Müller trug dabei das in der Fanszene verbreitete Solidaritäts-Shirt für den in der Vergangenheit in England inhaftierten Bornaer Neonazi und Lok-Fan Peter Kühnel. Müller selbst stammt ebenfalls aus dem Landkreis Leipzig, genauer aus Grimma. Dort provozierte er gemeinsam mit weiteren Neonazis zu Beginn des vergangenen Jahres am Rande einer Kundgebung im Zuge der bundesweiten „Nie wieder ist jetzt“-Proteste.

Die Mitglieder des „Rowdys MC“ stehen exemplarisch für das Zusammenfließen von Neonazismus, Rocker-Milieu, Fußballszene und Securitybranche. Mag der eine stärker in einem der Teilbereiche verortet sein als der andere, teilt man doch die gemeinsamen Grundsätze einer extrem rechten Weltanschauung und die Sehnsucht nach männerbündischer Gemeinschaft. Vertrauten Umgang pflegen die Mitglieder des „Rowdys MC“ mit ähnlich orientierten Rockergruppen aus Leipzig und Umgebung. Sichtbar wurden diese Netzwerke beispielsweise im April diesen Jahres, als der „Rowdys MC Leipzig“ die Eröffnung seines neuen Clubhauses in der Podelwitzer Straße 68 in Leipzig feierte. Die Bekanntschaft mit anderen MCs rührt neben Geschäftsinteressen auch aus einer ideologischen Nähe her. Diese wird unter anderem bei gemeinsamen rechten Gewalttaten, wie dem Angriff auf Connewitz vom 11.01.2016, offen ausgelebt.

Auf den Pressebildern vom Spiel gegen den FC Schalke 04 nicht zu erkennen, aber vermutlich unweit ihrer „Brüder“ postiert, wohnten dem Spiel auch die Neonazis Benjamin Schölzel und Thomas Persdorf bei. Persdorf ist seit Jahrzehnten eine überregional bedeutende Figur im organisierten Neonazismus. Beim „Rowdys MC Eastside“ übt er gegenwärtig das Amt des „Road Captain“ aus. In der Vergangenheit betrieb er mit „Front Records“ einen bundesweit bedeutenden neonazistischen Musik- und Versandhandel. Nach dem im Jahr 2000 in Deutschland ausgesprochenen Verbot des „Blood & Honour“-Netzwerks, dem Persdorf zugerechnet wird, war er Beschuldigter in Ermittlungen gegen dessen illegale Nachfolgestrukturen. In der bundesweiten RechtsRock-Szene ist Persdorf bis heute gut vernetzt. So wundert es nicht, dass Schölzel und Persdorf den Besuch im Bruno-Plache-Stadion gemeinsam mit dem Bremer Neonazi und Frontmann der RechtsRock-Band „Kategorie C“, Hannes Ostendorf, antraten. Am Abend zuvor spielte Ostendorf ein Akustik-Konzert in Bitterfeld-Wolfen. Die Location verweist erneut ins neonazistische Rockermilieu: Das Konzert fand im Clubhaus des „Freeway Riders MC Mittel/Elbe“ statt. Begleitet wurde Ostendorf dort u.a. von Robin Schmiemann, Führunsgperson der in Deutschland verbotenen rechtsterroristischen Gruppe „Combat 18“.

Des Weiteren sei darauf verwiesen, dass Ostendorf keineswegs die einzige „Größe“ der neonazistischen Musikwelt ist, die in der Vergangenheit Gefallen an einem Besuch beim 1. FC Lokomotive Leipzig fand und von der blau-gelben Nestwärme profitierte. Neben Mitgliedern der lokalen RechtsRock-Band „Odessa“ um Thomas Sachse, deren Musiker sich teils gar im Stadion kennenlernten, besuchte auch Julian Fritsch, gemeinsam mit seiner, aus Lützen kommenden, Partnerin Heidi Melia Schulz, im vergangenen Jahr ein Heimspiel des Clubs in Probstheida. Fritsch ist seit Jahren unter dem Künstlernamen „MaKss Damage“ (bzw. „MKD“) aktiv und Teil der Neonazi-Rapkombo „Neuer Deutscher Standard“. Wie seine Partnerin, die ihren Dienst für die Partei u.a. als Influencerin verrichtet, ist Fritsch bei der Neonazi-Partei „Der III. Weg“ aktiv.

Doch muss nicht in das vergangene Jahr geblickt werden, um Neonazis im Bruno-Plache-Stadion auszumachen. Die Pressefotos vom DFB-Pokal Spiel im August 2025 reichen dafür aus. Hinter Lukas Müller steht mit Kay Schrader ein Neonazi aus Sachsen-Anhalt, für den der Besuch beim revisionistischen „Trauermarsch“ in Dresden einen festen Termin darstellt. Mindestens in den Jahren 2023, 2024 und 2025 nahm er an dem Naziaufmarsch teil.

Auch Schrader unterhält Verbindungen ins neonazistische Rockermilieu und besuchte am 19.10.2024 die Beerdigung von Henry Behr in Gräfenhainichen. Behr war bundesweit bekannt und einflussreich, nicht zuletzt als Geschäftspartner von Thomas Persdorf, bei dessen Label „Front Records“ Behr zeitweilig als Geschäftsführer fungierte. Behr war außerdem Vize-Präsident der extrem rechten Bruderschaft „Brigade 8 Mittel/Elbe“, bis diese im „Freeway Riders MC Mittel/Elbe“ aufging, wo er den selben Posten inne hatte.

Vor Schrader standen beim Spiel gegen den FC Schalke 04 Ronny Gläßer und Gabriel Sturm. Letzterer gehört schon seit mehr als 15 Jahren zur extrem rechten Fanszene von Lok Leipzig. Unter anderem war er an dem Überfall auf Fans und Spieler des linken Sportvereins Roter Stern Leipzig 2009 in Brandis beteiligt und machte dabei mit einer Eckfahne Jagd auf Menschen. Doch auch in der jüngeren Vergangenheit ist Sturm bei Events der neonazistischen Fanszene mit von der Partie. So etwa beim jährlichen Fußballturnier der Lok-Fanszene für ein verstorbenes Mitglied von „Scenario Lok“, einem internen Turnier befreundeter rechter Hooligangruppen oder bei internationalen Fußballreisen.

Insbesondere die Freundschaft in extrem rechte Fankreise von Lazio Rom wird durch Besuche bei Derbys in der italienischen Hauptstadt gepflegt. Im November 2023 reiste eine knapp 15 Personen starke Gruppe aus Leipzig nach Rom. Nach absolviertem Sightseeing in der Vatikanstadt positionierten sich die Leipziger Neonazis beim abendlichen Derby in größtmöglicher Nähe zum Block der AS Rom-Fans und mischten im gegenseitigen Beschuss mit Pyrotechnik fleißig mit. Ganz vorne dabei war einmal mehr Thomas Kuhbach. Er trug währenddessen ein T-Shirt mit dem Logo vom 1. FC Lokomotive Leipzig, einem der „SS-Division Totenkopf“ nachempfundenen Totenschädel sowie dem Schriftzug „HooliganS Leipzig“.

In demselben Shirt posierte Kuhbach bereits zuvor für ein Gruppenbild, auf dem unter anderem auch Gabriel Sturm, Benjamin Brinsa und der wenige Monate zuvor aus englischer Haft entlassene Peter Kühnel zu sehen sind. Den Arm hat Kuhbach dabei um die Schulter von Ronny Gläßer gelegt.

Gläßer, der neben Schrader und Sturm ebenfalls beim Spiel gegen den FC Schalke 04 auf dem Dammsitz platziert war, hält zwar eigentlich auf Dynamo Dresden, ist aber fester Bestandteil der beschriebenen Mischszene im Raum Leipzig und besucht auch Spiele vom 1. FC Lokomotive Leipzig. Nicht in jedem Fall ist Gläßer jedoch als Fan im Stadion. Hauptberuflich arbeitet er als Security – häufig für die Leipziger „GSK Veranstaltungsservice GmbH“ – und findet sich so regelmäßig in vermeintlichen Rollenkonflikten wieder. Etwa am 12.09.2025 beim Gastspiel der BSG Chemie Leipzig beim Halleschen FC, wo er dafür eingesetzt war, Heimfans vom Gästeblock abzuhalten.

Dabei stand er etlichen seiner Mitreisenden aus Rom und Platznachbarn aus dem Bruno-Plache-Stadion gegenüber. Diese hatten sich zahlreich bei ihren Freunden aus Halle eingefunden und nahe des Gästeblocks pIatziert, um die Auseinandersetzung mit Gästefans und politischen Gegner_innen zu suchen. Im Nachgang veröffentlichte Gläßer ein Bild bei Instagram, das ihn in Security-Weste im Block zeigt, und unterlegte dies mit dem Song „Hooligans“ der oben erwähnten RechtsRock-Band „Kategorie C“. Die Beschäftigung von Neonazis im Sicherheitsdienst ist beim Halleschen FC bereits in der Vergangenheit zu beobachten gewesen.

Ihre politischen Überzeugungen gibt die Gründungsgeneration rechter Hooligans innerhalb der Fanszene schon seit Jahren an nachrückende junge Männer weiter. Das IFT rund um Benjamin Brinsa ist hierbei einer der zentralen Orte, an denen maskulinistische, gewaltaffine und rechtsoffene junge Lok-Fans auf Hooligans und organisierte Neonazis treffen und ihre Gewaltkompetenzen schulen. Die Auswirkungen zeigten sich in besonders drastischem Maße bei dem rassistischen Angriff auf einen senegalesischen Türsteher durch Johannes Herre und Robert Falke während einer Mallorca-Reise von Lok-Fans im Jahr 2019. Die folgenden Solidaritätsaktionen aus der Fanszene deuten auf die Stellung dieser jungen Generation hin, die sich vorwiegend rund um die Gruppe „Banda Resoluta“ organisiert.

Einige der jungen Lok-Fans wandeln dabei auf den Spuren ihrer Mentoren und versuchen sich als professionelle Kämpfer. Seit etwa zwei Jahren strebt insbesondere Luca Sonntag aus Taucha ans Licht der Öffentlichkeit. Spielte er in seiner Jugend noch Fußball in den Teams der SG Taucha, fokussiert sich der 19-Jährige inzwischen gänzlich auf den Kampfsport. Gemeinsam mit Benjamin Brinsa, Fabian Nebe und weiteren Neonazi-Kampfsportlern reiste er 2024 nach Thailand und kämpfte in der Folge – ebenso wie der Neonazi Fabian Nebe – bei verschiedenen MMA-Events in Polen im Namen des IFT. Beim Aufeinandertreffen vom Halleschen FC und der BSG Chemie Leipzig im September 2025 zeigte sich Sonntag mit einem Hooligan-Shirt am Rande des Gästeblocks.

Während Sonntag bisher nicht bei explizit neonazistischen Veranstaltungen in Erscheinungen getreten ist und sich auf die extrem rechte Kampfsport- und Fußballszene zu beschränken scheint, entdecken auch Personen aus dem organisierten Neonazismus als Spätberufene ihre Liebe zum 1. FC Lokomotive Leipzig und finden im IFT eine willkommene Anlaufstelle. Kevin Glöckner steht exemplarisch für eine solche Entwicklung.

Anstatt in der Fanszene von Lok trat Glöckner in der Vergangenheit für die Neonazi-Partei „Der III. Weg“ und andere extrem rechte Strukturen in Erscheinung. Seit über einem Jahrzehnt als Teilnehmer von Neonazi-Aufmärschen bekannt, agiert Glöckner inzwischen als Ordner bei Parteiveranstaltungen und umgibt sich dabei mit ihren zentralen Persönlichkeiten, wie dem Vorsitzenden Matthias Fischer. Im Leipziger Osten leitete Glöckner insbesondere in den Jahren 2023 und 2024 diverse Kampfsport-Einheiten der „AG Körper & Geist“ an. Seine Fähigkeiten stellte er mit weiteren Leipziger Aktivisten von „Der III. Weg“ bereits zuvor bei einer öffentlichen Kampfsportvorführung beim parteieigenen „Tag der Heimattreue“ am 02.09.2023 in Hilchenbach unter Beweis.

Spätestens seit Juli 2025 schult Kevin Glöckner seine Kampfsportfähigkeiten nun im IFT im nordsächsischen Taucha und zeigt bei Spielen des 1. FC Lokomotive Leipzig Präsenz. Beim bereits erwähnten Spiel des Halleschen FC gegen die BSG Chemie Leipzig gehörte Glöckner zu jener Fraktion, die nach Schlusspfiff auf den Platz stürmte und versuchte, Gäste-Fans und -Spieler zu attackieren.

Wie gesehen, reicht eine handvoll Bilder vom DFB-Pokal Spiel gegen den FC Schalke 04 aus, um den Blick auf die extrem rechte Fanszene des 1. FC Lokomotive Leipzig und ihre Netzwerke und Strukturen freizugeben. Anders als vom Verein behauptet, ist die neonazistische Fanszene im und um das Stadion weiterhin schlagkräftig und tonangebend. Anlassbezogene Symbolpolitik – ob in Form von Vereinsstatements oder Tapeten – und die öffentlichkeitswirksamen Selbstinszenierung als geläuterter Verein, dessen Probleme der Vergangenheit angehören, werden daran nichts verändern. Gleiches gilt für vermeintlich progressive Fan-Gruppen wie „Blue Side Lok“, die wenige Probleme damit zu haben scheinen, mit rechten und neonazistischen Lok-Fans gemeinsame Sache zu machen.
Im Verein
Immerhin auf der Ebene des Vereins zeigt sich ein anderes Bild, da ist man sich auch bei der LVZ sicher. Und in der Tat wurde in den vergangenen Jahren beim 1. FC Lokomotive Leipzig in Reaktion auf öffentliche Empörung über neonazistische Umtriebe auf Vereinsebene gehandelt. Dies betrifft sowohl ein Teamfoto der B-Jugend von 2018 auf dem nahezu geschlossen der Hitlergruß gezeigt wurde, als auch den Umgang mit dem langjährigen Stadionsprecher Mirko Linke, als dieser 2022 eine Grafik in seinem WhatsApp-Status teilte, in der Fans der BSG Chemie Leipzig ins Vernichtungslager Auschwitz gewünscht werden. In beiden Fällen trennte sich der 1. FC Lokomotive Leipzig von seinem Personal. Kürzlich stellte man mit Roy Treibl nun jedoch einen Rechtsaußen des Amateurfußballs offiziell beim Verein an.

Der aus dem Leipziger Land kommende Roy Treibl gehörte zu den 250 Neonazis, Hooligans und Kampfsportlern, die am 11.01.2016 den Stadtteil Connewitz angriffen, dabei einen Straßenzug verwüsteten, einen Sprengkörper in einen Imbiss warfen und Menschen attackierten. Der zu dieser Zeit beim Bornaer SV spielende Treibl war gemeinsam mit zwei seiner damalige Teamkollegen am Überfall beteiligt. Als im Frühjahr 2017 der Rote Stern Leipzig in Borna spielte, kam es zu Solidaritätsgesten des Bornaers Teams für Treibl und seine Mitangreifer. Was folgte, war ein Protest des Roten Sterns und mediale Empörung. Unter anderem berichteten „Der Spiegel“ und „Neues Deutschland“. Schwer vorstellbar, dass dieses mediale Echo nicht auch in Probstheida vernehmbar war.
Heute spielt Roy Treibl beim SV Naunhof, versucht sich als Sportfotograf und verdient sein Geld beim 1. FC Lokomotive Leipzig im Bereich „Vermarktung/Marketing“. Bereits beim Fanmarsch im April 2023 zum Derby zwischen der BSG Chemie Leipzig und dem 1. FC Lokomotive Leipzig, der u.a. von Benjamin Brinsa angeführt wurde, zeigte sich Treibl an der Spitze des Aufzugs neben dem heutigen Geschäftsstellenleiter Martin Mieth.

Zwischenzeitlich war Treibl als Twitch-Streamer aktiv und distanzierte sich 2021 dort in wenigen Worten von Rassismus. Lange hielt dieses Lippenbekenntnis jedoch nicht. Im November 2024 posierte er kurz nach dem Wahlsieg Donald Trumps mit einer roten „Make America Great Again“-Cap. In einer Instagram-Story bezeichnete er ihn als „Hoffnung für unsere Welt“ und befand, dass die „Mainstream-Medien abgeschafft werden müssen“. Im nationalen Taumel befand sich Treibl auch nach der Europameisterschaft 2024, bei der man laut Treibl für ein paar Wochen wieder ein „geiles Deutschland ohne Schwulettengeschwurbel und Transgendergeheilten“ genießen durfte.

Beim 1. FC Lokomotive Leipzig inszeniert sich Treibl im Stile seines US-amerikanischen Hoffnungsträgers selbst als „Dealmaker“. So hat er nach eigener Aussage eine „große Aktie“ in der Gewinnung des gegenwärtigen Haupt- und Trikotsponsors der „Eckhold Gruppe“, dessen Inhaber Robert Eckhold Treibl persönlich verbunden ist. Gleiches gilt für Treibls Kumpel Nico Becker, der als Geschäftsführer der Putz- und Stuckfirma „SPS GmbH“ (Hohenrodaer Str. 25, 04509 Krostitz) tätig ist und mit der Firma ebenfalls offizieller Sponsor des 1. FC Lokomotive Leipzig ist.

Becker selbst pflegt beste Kontakte in die neonazistische Lok-Fanszene und tritt auch selbst in dieser in Erscheinung. 2021 war er während Ausschreitungen beim Auswärtsspiel vom 1. FC Lokomotive Leipzig beim linksalternativen SV Babelsberg 03 in Potsdam zugegen. Fast schon selbstverständlich ist es da, dass Becker auf Facebook die Neonazigruppe „Scenario Lok“ liket. Auf Fotos posierte Becker in der Vergangenheit dann folgerichtig auch mit Personen von „Scenario Lok“, namentlich dem bereits erwähnten Neonazi Peter Kühnel.

Kühnel, der in 2000er Jahren als Stadtratskandidat für die NPD in Borna antrat, gehörte zur neonazistischen Ultra-Gruppe „Scenario Lok“, nahm in den 2010er Jahren an diversen neonazistischen Veranstaltungen – von HOGESA in Köln bis zur Winterakademie des IfS in Schnellroda – teil und erlangte in der Fanszene eine Sonderstellung, da er nach einem Überfall auf englische Pub-Besucher 2022 in London in Haft saß.

Kühnel ist nicht der einzige Neonazi mit dem sich Nico Becker umgibt. Ein Oktoberfest besuchte Becker 2018 unter anderem mit dem ehemaligen Wurzener IFT-Kämpfer Marcel Bennewitz, der in der Vergangenheit das rechte Kleidungslabel „heimatliebend“ betrieb. Auch Bennewitz ist fester Bestandteil der neonazistischen Fanszene und dribbelte für diese unter anderem bei einem internen „Hooligan-Turnier“ 2024 gemeinsam mit – wie sollte es anders sein – Peter Kühnel für die blau-gelben Farben auf. Bei dem besagten Oktoberfest 2018 war auch der Bornaer Stephan Geidl dabei: Lok-Fan, Connewitz-Angreifer und Teil der Reisegruppe, die 2022 im Rahmen des Länderspiels England-Deutschland einen Londoner Pub überfiel.

Die Netzwerke und Freundschaften der neonazistischen Fanszene fristen also keineswegs ein Dasein im Abseits. Vielmehr reichen sie bis zu den hauptamtlichen Mitarbeitern des 1. FC Lokomotive Leipzig und in dessen Sponsorenschaft hinein. Im Falle von Treibl und Becker sind diese selbst Teil dieser Netzwerke.
Auf dem Rasen
Das Bild einer nicht nur auf dem Tribünen äußerst einflussreichen neonazistischen Fanszene verfestigt sich mit Blick auf ehemalige Spieler des 1. FC Lokomotive Leipzig. Mit Steffen Fritzsch und Markus Krug scheinen zwei ehemalige Lok-Spieler fasziniert von diesem Milieu und seiner Ideologie zu sein und unterhalten beste Kontakte dorthin. Krug – langjähriger Kapitän und blau-gelbe Identifikationsfigur – und Fritzsch sind Teil der „Lok-Traditionself“, die u.a. Benefizspiele absolviert und den 1. FC Lokomotive Leipzig repräsentieren soll.

Krug und Fritzsch eint neben ihrer Fußballerbiographie die Affinität zum Kampfsport. Markus Krug ist regelmäßiger Gast im Halleschen „La Familia Gym“, das in der Vergangenheit wiederholt wegen seiner neonazistischen Verstrickungen in der Kritik stand. Davon unberührt, teilt sich Krug in diesem Gym mit ausgemachten Neonazis die Matte. Im Juli 2022 posierte er etwa mit Dominic Exel aus Halle nach einer gemeinsamen Trainingseinheit. Exel trat wenige Jahre zuvor beim neonazistischen Kampfsportevent „TIWAZ“ als Kämpfer an und ist auf diversen Neonazi-Aufmärschen in Erscheinung getreten. Nicht nur als Trainingspartner, sondern auch freundschaftlich ist Krug außerdem mit dem Leipziger Kampfsportler Christopher Henze verbunden. Henze, ebenfalls zu „Scenario Lok“ gehörig und Teil des koordinierten Angriffs auf Connewitz im Jahr 2016, war neben Brinsa die zentrale Figur im IFT und ist bis heute prägend in der neonazistischen Kampfsport- und Hooliganszene von Lok Leipzig. Seit dem vergangenen Jahr betreibt Henze mit den rechten Hooligans Theo Weiland (Rot-Weiß Erfurt) und Hans Krüger (FC Energie Cottbus) das „Gladiator Gym“ in Halle. Zuvor traininerte Henze regelmäßig beim „La Familia Gym“ in Halle, wo er die Freundschaft zum ehemaligen Lok-Kapitän Krug pflegte. Dass die Sympathie beidseitig vorhanden ist, zeigen unter anderem Geburtstagsgrüße von Krug an die „blau-gelbe Maschine“ Henze. 
Dass Krug darüber hinaus Zugang zu einem konspirativ gehaltenen Gym der „Sportgruppe Halle“, den Hooligans des Halleschen FC, hat, verdeutlicht seine An-und Einbindung ins extrem rechte Milieu.

Einen noch engeren Draht zu Henze besitzt Steffen Fritzsch. Dieser ist so eng, dass Fritzsch – neben extrem rechten Hooligans und Neonazis – zu den Vertrauten von Henze bei dessen Hochzeit im September 2024 gehörte. In Henzes „Gladiator Gym“ versucht sich Fritzsch nach seiner Fußballkarriere, die er vergagenes Jahr bei der SG Union Sandersdorf ausklingen ließ, nun ebenfalls im Kampfsport.

Steffen Fritzsch ist jedoch nicht nur ein Freund von Christopher Henze, sondern tief in die Netzwerke neonazistischer Lok-Fans eingebunden. So war auch Fritzsch Teil der Reisegruppe, die 2022 das Länderspiel England – Deutschland besuchte und neben dem Überfall auf einen Pub auch mit einem homophoben Banner in der Londoner Innenstadt auf sich aufmerksam machte. Fehlen durfte bei der Reise natürlich auch Thomas Kuhbach nicht, mit dem Fritzsch ebenfalls freundschaftlich verbunden ist.

Im Juli diesen Jahres waren Fritzsch‘ fußballerische Qualität abseits der Traditionsmannschaft von Lok Leipzig gefragt. Bei einem internen Turnier zu Ehren eines verstorbenen „Scenario Lok“-Mitglieds lief Fritzsch für ein Team bestehend aus ehemaligen Mitgliedern dieser Gruppierung auf und holte gemeinsam mit seinen Neonazi-Freunden prompt den Sieg.

Gemeinsam mit seinen Neonazi-Freunden besuchte Fritzsch kürzlich außerdem das bereits benannten Spiel vom Halleschen FC gegen die BSG Chemie Leipzig, bei dem Fans das Spielfeld stürmten und Spieler der BSG Chemie Leipzig bedrohten und angriffen.

Beruflich hat sich Fritzsch inzwischen auf die Pflege anderer Kontakte spezialisiert. Er ist Franchise-Nehmer von „Die Alltagsbegleiter“ und erhielt im Oktober 2024 im „Lok Cast“ vom oben genannten Stadionsprecher Marko Hofmann die Möglichkeit, ausführlich für seine Firma zu werben. Fast schon sinnbildlich mutet es an, dass in derselben Podcast-Episode nach dem Interview mit Steffen Fritzsch der Leiter des Leipziger „Erich Zeigner Haus e.V.“ darüber referiert, auf welch positivem Weg sich der 1. FC Lokomotive Leipzig befinden würde.
Ein Ausblick
Ob Fans, Vereinsangestellte oder „Lok-Legenden“, die neonazistischen Netzwerke in und um den 1. FC Lokomotive Leipzig sind nach wie vor in Takt. Vereinsorgane, die in einer Salamitaktik Strukturen zu Einzelfällen umdeuten und eine Anhängerschaft, die eine neonazistische Hegemonie in der eigenen Fanszene nicht als solche benennt, sind ein Teil des Problems. Gleiches gilt für eine Lokalpresse, die sich in gefühligen Reportagen gefällt, anstatt kritisch zu recherchieren. Zukünftig wird sich am Umgang mit Vereinsmitarbeitern wie Roy Treibl und ehemaligen Spieler-Größen zeigen, wie ernst es dem 1. FC Lokomotive mit einer Veränderung wirklich ist. Gleiches gilt für die beschriebenen Netzwerke neonazistischer Lok-Fans. Deren Existenz überhaupt anzuerkennen und die Mär der „Einzelfälle“ hinter sich zu lassen, wäre eine grundlegende Voraussetzung für eine glaubhafte Veränderung.
Zum Weiterlesen
Plaches Albtraum. Lok und die extreme Rechte – chronik.LE – September 2024
Nazis und rechte Hegemonie im Umfeld von Lok Leipzig – Inventati – April 2023
Die „288-Gang“ – Graffiti, Kampfsport und rechte Fußballszene Leipzigs – Inventati – Juni 2022
Endstation Mallorca: Leipziger Neonazis nach Angriff verhaftet – Inventati – Juni 2019
